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Windkrafturteile

Rechtskräftige Urteile zum Thema Windenergieanlagen




A. Möglichkeiten der Gemeinden und Planungsrecht:

Vorab Anmerkungen von Rechtsanwalt Armin Brauns: Seit Jahren vertrete ich gegenüber allen Verwaltungsgerichten die Rechtsansicht, dass Gemeinden im Rahmen der Prüfung des gemeindlichen Einvernehmens die vollständige Prüfung der entgegenstehenden öffentlichen Belange nach § 35 BauGB (speziell § 35 Abs. 3 BauGB) zusteht. Dies wurde bislang von den meisten Verwaltungsgerichten, Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen verneint bzw. nur eingeschränkt auf Planungsrecht akzeptiert. Allein das OVG Rheinland-Pfalz hat bereits im Jahr 2006 (Entscheidung s.u.) der Gemeinde dieses Recht eingeräumt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Jahr 2010 in zwei klaren Entscheidungen festgestellt, dass der Gemeinde (Standortgemeinde) ein vollumfängliches Prüfungsrecht gleich der Genehmigungsbehörde zusteht.

Offen ist derzeit noch, inwieweit diese Entscheidungen Auswirkung auf die sog. Nachbargemeinden haben. Den Nachbargemeinden wird zwar das Klagerecht unstreitig eingeräumt. Die Verwaltungsrechtsprechung unterscheidet hinsichtlich der Prüfungskompetenz aber immer noch zwischen Standort- und Nachbargemeinde. Begründet wird dies in der Regel damit, dass nur Standortgemeinden die Prüfung des Einvernehmens nach § 36 BauGB gewährt wird.


Gemeinde und Prüfung des Einvernehmens nach § 36 BauGB


OVG Rheinland-Pfalz , Urteil vom 13.03.2006 – 8 A 11309/05/OVG -
Amtlicher Leitsatz:
Eine Gemeinde hat als Ausfluss ihrer Planungshoheit das Recht, Bauvorhaben, die nicht mit § 35 BauGB in Einklang stehen, abzuwehren.

BauGB § 35, § 36, GG Art. 28 Abs. 2, VwGO § 42 Abs. 2
BVerwG Urteil vom 20.05.2010, Az: 4 C 7.09 - Vorinstanz: HessVGH


Versagung des Einvernehmens durch Gemeinde und vollumfängliches Prüfungsrecht der Gemeinde
Verpflichtet ein Gericht eine Verwaltungsbehörde zur Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Außenbereichsvorhabens und ersetzt dabei ein versagtes gemeindliches Einvernehmen, sind auf das Rechtsmittel der Gemeinde die Voraussetzungen des § 35 BauGB in vollem Umfang nachzuprüfen. Eine Beschränkung der Prüfung auf diejenigen Gründe, auf die die Gemeinde die Versagung ihres Einvernehmens gestützt hat, ist unzulässig.

BVerwG, Urteil vom 01.07.2010 - Az.: 4 C 4.08 - Vorinstanz SächsOVG

Versagung des Einvernehmens durch Gemeinde und vollumfängliches Prüfungsrecht der Gemeinde
Die Voraussetzungen des § 35 BauGB sind auf das Rechtsmittel einer Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen. OVG Rheinland-Pfalz – Urteil vom 02.03.2006, Az: 1 A 10884/05.OVG (rechtskräftig)

Versagung des Einvernehmens durch Gemeinde:
1. Von der Schutzwirkung des § 36 BauGB zugunsten der Gemeinde wird auch der Fall erfasst, dass ein bevorzugt im Außenbereich zulässiges (Bau-)Vorhaben wegen entgegenstehender Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege unzulässig ist.

2. Ein Ersuchen gem. § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB muss in Anbetracht der ggf. weit reichenden Folgen der Einvernehmensfiktion eindeutig formuliert sein, die ersuchte Gemeinde muss erkennen können, dass und in welcher Hinsicht die dortige Zweimonatsfrist ausgelöst wird.

3. An dem öffentlichen Belang des Schutzes einer bestimmten Vogelart (hier: Rotmilan) kann die Errichtung eines bevorzugt im Außenbereich zulässigen (Bau-)Vorhabens (hier: Windkraftanlage) nicht nur innerhalb ausgewiesener oder faktischer Europäischer Vogelschutzgebiete scheitern.

4. Zu der nach der Vogelschutz-Richtlinie vorgeschriebenen Erhaltung und Pflege der Lebensräume kann es auch gehören, den schützenswerten Lebensraum einer geschützten Vogelart von einer im Außenbereich bevorzugt zulässigen Bebauung freizuhalten, wenn gerade diese Bebauung geeignet ist, dem Schutzziel der Erhaltung der Art spürbar entgegenzuwirken.

BVerwG, B.v.11.08.2008, 4 B 25.08
Folgen der Missachtung des Rechts der Gemeinde nach § 36 BauGB
Ist der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB eröffnet, entfaltet sich dessen planungsrechtliche Schutzfunktion: Die vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde dient der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit. Bereits die Missachtung des gesetzlich gewährleisteten Rechts der Gemeinde auf Einvernehmen führt zur Aufhebung der Baugenehmigung; einer materiell-rechtlichen Überprüfung der Rechtslage bedarf es nicht.

Zurückstellung und Einvernehmensfrist nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB

BauGB § 15 Abs. 3, § 36 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2; ZPO § 249 Abs. 1
Wird eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 BauGB ausgesetzt, führt dies dazu, dass eine im Zeitpunkt der Aussetzung noch laufende Einvernehmensfrist nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB entsprechend den Wirkungen des § 249 Abs. 1 ZPO unterbrochen wird.

Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11. November 2013 – 12 LC 271/11 -

Bauplanungsrecht

Urteil des 4. Senats vom 20. Mai 2010 – BVerwG 4 C 7.09
I. VG Gießen vom 04.07.2007 – Az.: VG 8 E 2538/05 -
II. VGH Kassel vom 17.06.2009 – Az.: VGH 6 A 630/08 -


Stichworte:
Windenergieanlagen; Flächennutzungsplan; ~ mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB; Konzentrationsflächenplanung; Verhinderungsplanung; Abwägung, Abwägungsfehler; Unbeachtlichkeit von ~; Artenschutz; Störungsverbot; artenschutzrechtliches ~; Einvernehmen; gemeindliches ~; Erschließung; Erschließungsangebot.

Leitsätze:
1. Eine Gemeinde, die von der Ermächtigung zur Konzentrationsflächenplanung Gebrauch macht, hat die öffentlichen Belange, die nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB erheblich sind und nicht zugleich zwingende, im Wege der Ausnahme oder Befreiung nicht überwindbare Verbotstatbestände nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllen, bei der Planung nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB gegen das Interesse Bauwilliger abzuwägen, den Außenbereich für die Errichtung von Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB in Anspruch zu nehmen. Ist die Planung wirksam, weil die Abwägung frei von Fehlern ist oder Abwägungsmängel nach dem Fehlerfolgenregime des § 214 BauGB unbeachtlich sind, dürfen diese Belange bei der Entscheidung über die Zulassung eines Vorhabens auf der Konzentrationsfläche nicht wieder als Genehmigungshindernis aktiviert werden.

2.Es bleibt offen, ob die Darstellungen eines in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplans, dem nach seinem Inkrafttreten die Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zukommen sollen, einem Außenbereichsvorhaben generell nicht als unbenannter öffentlicher Belang i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen können. Eine „Vorwirkung“ scheidet jedenfalls für den Fall aus, dass die künftigen Ausschlussflächen nach dem aktuellen Flächennutzungsplan noch in einer Konzentrationsfläche liegen.

3. Verpflichtet ein Gericht eine Verwaltungsbehörde zur Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Außenbereichsvorhabens und ersetzt dabei ein versagtes gemeindliches Einvernehmen, sind auf das Rechtsmittel der Gemeinde die Voraussetzungen des § 35 BauGB in vollem Umfang nachzuprüfen. Eine Beschränkung der Prüfung auf diejenigen Gründe, auf die die Gemeinde die Versagung ihres Einvernehmens gestützt hat, ist unzulässig.

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1, Abs. 3 Satz 3
BImSchG § 6 Abs. 1
BNatSchG 2002 § 42 Abs. 1 Nr. 2


Gemeinde und Haftung bei Verweigerung des Einvernehmens

BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – III ZR 29/12 – (OLG München) Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens Amtlicher Leitsatz: Im Baugenehmigungsverfahren obliegen der Gemeinde bei der Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB keine den Bauwilligen schützenden Amtspflichten, wenn die Baugenehmigungsbehörde nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB i. V. m. landesrechtlichen Vorschriften das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen ersetzen kann. Dies gilt auch dann, wenn der (einfache) Bebauungsplan, dessen Festsetzungen das Bauvorhaben widerspricht und auf dessen Inhalt die Verweigerung des Einvernehmens gestützt wird, unwirksam ist, auch wenn dies gerichtlich noch nicht festgestellt wurde (Fortführung von Senatsurteil v. 16.09.2010 – III ZR 29/10 -, BGHZ 187, 51). BGB § 839; BauGB § 36; BayBO Art. 74 a. F.

Rspr. zu Regionalplanung und kommunaler Planung

BayVGH, Urt. v. 17.11.2011, 2 BV 10.2295, Vorinstanz B 2 K 04.1200 Sprechen bei der Änderung eines Regionalplans mehrere weiche Ausschlusskriterien gegen die Festlegung einer Fläche als Vorranggebiet für Windkraftanlagen und damit auch für den Auschluss des Gebiets, so ist dieses in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung soweit konkretisiert, dass es als unbenannter öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB einer dort geplanten Windkraftanlage entgegenstehen kann.

BVerwG, Urt. v. 14.07.2011 -BVerwG 9 A 12.10

Planfeststellungsrecht/Regionalplanung/Bauleitplanung/Naturschutz

Leitsatzauszug:

6. Ein Monitoring kann dazu dienen, aufgrund einer fachgerecht vorgenommenen Risikobewertung verbleibenden Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die sich aus nicht behebbaren naturschutzfachlichen Erkenntnislücken ergeben, sofern ggf. wirksame Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Es stellt hingegen kein zulässiges Mittel dar, um behördliche Ermittlungs- und Bewertungsdefizite zu kompensieren.

7. Führt ein Planvorhaben zu Beeinträchtigungen, die den Vorgaben der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung widersprechen, so ist der mit dem Vorhaben verbundene Eingriff in Natur und Landschaft unzulässig mit der Folge, dass gemäß § 42 Abs. 5 S. 1 BNatSchG 2007auch anderen von ihm ausgehenden Beeinträchtigungen die artenschutzrechtliche Privilegierung des § 42 Abs. 5 S. 2 und 3 BNatSchG 2007 verwehrt bleibt.

8. Setzt die artenschutzrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens die Erteilung von Ausnahmen für mehrere artenschutzrechtlich relevante Beeinträchtigungen voraus, die dieselbe Art betreffen, so sind die Ausnahmevoraussetzungen in einer Gesamtschau der Beeinträchtigungen zu prüfen.


Windenergieanlage, angemessene Nutzung

BVerwG, Beschluss vom 2. April 2013 – 4 BN 37.12 – (OVG Nordrhein-Westfalen, BauR 2012, 1898)
Die Fläche, die der Errichtung von Windkraftanlagen vorbehalten ist, muss nicht so beschaffen sein, dass sie eine bestmögliche Ausnutzung gewährleistet. Es reicht aus, wenn an dem Standort die Voraussetzungen für eine dem Zweck angemessene Nutzung gegeben ist.

BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3

Urteil des 4. Senats vom 27. Juni 2013 – BVerwG 4 C 1.12

Baurecht, Naturschutzrecht

Windenergieanlage; Außenbereich; immissionsschutzrechtliche Genehmigung; Bauvorbescheid; bauplanrechtliche Zulässigkeit; Belange des Naturschutzes; Tatbestandwirkung; Auslegung; Rechtsirrtum; (keine) Bindung im Revisionsverfahren; artenschutzrechtliches Tötungs- und Verletzungsverbot; naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative; Sachkunde; ehrenamtliche Mitarbeiter.

BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2, BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, BNatSchG § 44 Abs. 1 Nr. 1

NiedersächsOVG, Urteile vom 21.04.2010 - 12 LB 44/09 und 12 LC 9/07

Bauplanungsrecht

Lässt die planende Gemeinde die Frage, ob es sich bei einer Fläche um ein faktisches Vogelschutzgebiet handelt, im Ergebnis offen, obwohl hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Einstufung vorliegen und begründet sie alternativ, warum sie, selbst wenn es sich nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet handelte, diese Fläche wegen ihrer avifaunistischen Wertigkeit nicht als Vorrangfläche ausgewiesen hätte, so liegt ein zur Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans führender Abwägungsmangel nicht vor.

BVerwG, Urteil vom 11. April 2013 – 4 CN 2.12 -. (Sächsisches OVG)

Konzentrationsflächenplanung für Windenergieanlagen

Scheidet ein Träger der Regionalplanung bei der Konzentrationsflächenplanung für Windenergieanlagen „harte“ und „weiche“ Tabuzonen aus dem Kreis der für die Windenergienutzung in Betracht kommenden Flächen (Potenzialflächen) aus, muss er sich zur Vermeidung eines Fehlers im Abwägungsvorgang den Unterschied zwischen den beiden Arten der Tabuzonen bewusst machen und ihn dokumentieren. Die Nachteile einer Planung für Planunterworfene sowie die Tatsache und der mögliche Umfang hierfür zu leistender Entschädigungen sind im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Entschädigungsansprüche nach dem Planungsschadensrecht scheiden aus, wenn mit einer Konzentrationsflächenplanung Vorrang- und Eignungsgebiete (hier: für die Windenergienutzung) aus einem früheren Regionsplan nicht „weggeplant“ werden (wie Urteil v. 27.01.2005 – 4 C 5.04 -, BVerwGE 122, 364, 369f).

ROG 12 Abs. 3, § 28 Abs. 2; ROG a. F. § 7 Abs. 7; BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3, §§ 39,42.

NiedersächsOVG Urteil vom 28.01.2010 - 12 KN 65/07

Raumordnungsrecht - Vorrangstandorte für Windenergienutzung als Ziele der Raumordnung

Der Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen ein in einem Regionalplan festgelegtes Ziel der Raumordnung (hier: Festlegung von Vorrangstandorten und Eignungsgebieten für Windenergienutzung) kann weiterhin gegeben sein, wenn der Regionalplan während des Normenkontrollverfahrens außer Kraft tritt. Hinzukommen muss dann ein berechtigtes Interesse des Normenkontrollantragstellers an der Feststellung, dass die Norm ungültig war.

Eignungsgebiete können als Ziel der Raumordnung festgelegt werden.

Der Planungsträger ist an Zielfestlegungen in vorherigen Raumordnugnsplänen nicht gebunden und nicht dazu verpflichtet,Konzentrationsflächen weiterhin dort festzulegen, wo Windkraftanlagen bereits vorhanden oder genehmigt sind.

OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.05.2009 – 2 L 255/06 -

Amtlicher Leitsatz:
Die Frage, ob der Nutzung der Windenergie in einem Raumordnungsplan in substantieller Weise Raum verschafft wird, ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu prüfen. Maßgeblich ist hierbei, ob die ausgewiesenen Konzentrationsflächen nach ihrer Zahl und Größe einen beachtlichen Teil der potentiell für die Windkraftnutzung in Betracht kommenden Fläche ausmachen und mit hinreichender Sicherheit zur Errichtung von Windkraftanlagen führen, die nach ihrer Anzahl und Energiemenge auch mit Blick auf den Bundesdurchschnitt geeignet sind, einen gewichtigen und den allgemein anerkannten energiepolitischen Zielsetzungen nicht offensichtlich widersprechenden Beitrag zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien an der Gesamtenergieerzeugung zu leisten.

BImSchG § 9, BauGB § 35, LPIG § 3 Abs. 8

BVerwG, Beschluss vom 29.03.2007, Az: 4 BN 13.07

Bebauungsplan/Veränderungssperre:

1. Erklärt das Normenkontrollgericht einen Bebauungsplan, der in der Aufstellungsphase durch eine Veränderungssperre gesichert ist, für unwirksam, und beschließt die Gemeinde für denselben Planbereich erneut die Aufstellung eines Bebauungsplans, kann sie zur Sicherung dieser Planung eine neue Veränderungssperre erlassen.

2. Die Planung ist auch dann insgesamt eine andere, wenn die Gemeinde für das Gebiet eines wegen der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen insgesamt für unwirksam erklärten Bebauungsplans einen neuen Aufstellungsbeschluss fasst mit dem Ziel, nur die im Normenkontrollverfahren beanstandeten Festsetzungen zu ändern und es im Übrigen bei den bisherigen Festsetzungen zu belassen.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20.04.2012, 22 CS 12.310 (Dachau-Urteil)

Orientierungssätze:
1. Die Prüfung des Tatbestandsmerkmals des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB, das zurückstellende Vorhaben werde die Durchführung der Planung unmöglich machen oder wesentlich erschweren, kann nur dann erfolgen, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht völlig offen sind, sondern – im maßgeblichen Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung – ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Inhalt des zu erwartenden Flächennutzungsplans sein soll. Absolutes Mindestmaß ist dabei, dass sich die Planung nicht als bloße (verbotene) Negativ- oder Alibiplanung darstellt. Im Falle einer Teilflächennutzungsplanung zur Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen (§§ 5 Abs. 2 b, 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) muss absehbar sein, dass der Windnutzung in substanzieller Weise Raum gegeben werden soll.

2. Verbindliche Planungsziele kann in der Bauleitplanung nur der zuständige Gemeinderat beschließen. Auf bloße Verlautbarungen von Mandatsträgern, Bürgermeistern, Gemeindebediensteten und anderen an der landkreisweiten Planung Beteiligten, die zwar eine gewisse gemeinsam vorhandene Planungsabsicht dokumentieren können und auch ihren Niederschlag in Besprechungs-niederschriften und Presseberichten gefunden haben, aber nicht in entsprechende Gemeinde- bzw. Stadtratsbeschlüsse gemündet sind, kann nicht zurückgegriffen werden, um das Erfordernis der hinreichend konkretisierten Positivplanung bejahen zu können.

3. Im Falle einer gemeindeübergreifenden Teilflächennutzungsplanung (§ 204 Abs. 1 BauGB) zur Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen ist von einer unzulässigen Verhinderungsplanung auszugehen, wenn sich im Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung dem Planungsstand aller beteiligten Gemeinden nicht sicher entnehmen lässt, dass das – nach Maßgabe des gemeinsamen Planungskonzepts voraussichtliche – Fehlen von Flächen in der betroffenen Gemeinde, in der das beantragte und für die Zurückstellung vorgesehene Einzelvorhaben verwirklicht werden soll, in den übrigen Gemeinden kompensiert wird. Das ist schon dann der Fall, wenn sich mehrere beteiligte Gemeinden zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht verbindlich auf bestimmte Kriterien bzw. eine grundsätzliche Zustimmung zu bestimmten Konzentrationszonen festgelegt haben oder / und wenn nach der Beschlusslage bei einzelnen Gemeinden unklar ist, ob diese auch nach einem zwischenzeitlichen „Ausstieg“ einzelner Gemeinden aus dem Projekt weiterhin an einer gemeindeübergreifenden Planung festhalten wollen.

4. Die Sicherungsfähigkeit durch eine Zurückstellungsentscheidung ist zudem zweifelhaft, wenn die künftige Rechtmäßigkeit einer gemeindeübergreifenden Flächennutzungsplanung zur Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen in Frage steht, z. B. - weil zweifelhaft ist, ob der Windkraft im betroffenen (Gesamt-) Plangebiet überhaupt substanziell Raum gegeben wird (so etwa, wenn die nach Maßgabe eines gebietsübergreifenden Abstandskonzepts in Betracht kommenden Konzentrationsflächen ohne Berücksichtigung der Windhöffigkeit ermittelt wurden oder wenn sich die Gesamtfläche im Planungsgebiet infolge der fehlenden Bereitschaft der jeweiligen Eigentümer, eine solche Nutzung zu ermöglichen, weiter verringern kann) oder
- weil die absoluten Abstandskriterien nach einem zugrunde gelegten Konzept in der Abwägung voraussichtlich korrigiert werden müssen (so etwa, wenn sich nicht von selbst erschließt, warum zu im Außenbereich gelegenen Einzelhäusern oder Splittersiedlungen dieselben Schutzabstände zu Windkraftanlagen gerechtfertigt sind wie bei einer Wohnnutzung im allgemeinen Wohngebiet).

5. Vorläufige Bewertung der Landesanwaltschaft Bayern: Der 22. Senat des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs stellt sehr strenge Anforderungen für das Instrument der Zurückstellung gem. § 15 Abs. 3 BauGB zur Sicherung einer (hier: gemeindeübergreifenden) Teilflächennutzungsplanung zur Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen auf. Die Konkretisierung der Planung muss im Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung einen Stand erreicht haben, bei dem die abwägungsrelevanten Faktoren in nicht unerheblichem Umfang schon ermittelt und mit einem recht hohen Differenzierungsgrad vorbewertet sind.

6. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Beschluss vom 22. März 2012, Az. 22 CS 12.349 und 22 CS 12.356, eine restriktive Rechtsauslegung zu § 15 Abs. 3 BauGB angedeutet.
Die Kernaussage dieses Beschlusses lautet: Ein Beschluss zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans, in dem lediglich die Absicht geäußert wird, zu prüfen, ob Darstellungen zu nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Windkraftanlagen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in Betracht kommen, ist nicht konkret genug für eine Zurückstellung des Baugesuchs nach § 15 Abs. 3 BauGB.

Bay. VGH , Urteil vom 25.05.2011 – 15 N 10.1568 –

Orientierungssatz:
1. Allein aus der Bezeichnung einer Festlegung in einem Regionalplan als Ziel „(Z)“ lässt sich nicht ableiten, dass es sich in der Sache um ein Ziel im Sinne des § 1 Abs. 4 BauGB handelt.

2. Landesplanerische Planaussagen, die als sog. „Soll-Ziele“ formuliert sind, beanspruchen die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG angesprochene Verbindlichkeit nur, wenn der Plangeber die Abweichungsvoraussetzungen für atypische Sachverhalte mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit selbst festgelegt hat. Soll-Vorschriften, die keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Reichweite atypischer Fälle bieten, mithin in dieser Frage einen Abwägungsspielraum eröffnen, entfalten keinen Verbindlichkeitsanspruch.

3. Lassen sich Anhaltspunkte für die Reichweite atypischer Fälle mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit weder aus der Soll-Vorschrift selbst noch aus weiteren Planaussagen herleiten, entfaltet ein Soll-Ziel keinen Verbindlichkeitsanspruch, der zur Anpassung nach § 1 Abs. 4 BauGB verpflichten würde.

Hinweis:
Fortführung der Rechtsprechung des BayVGH (Urteil vom 19.04.2004, Az 15 B 99.2605) im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 18.09.2003, Az. 4 CN 20/02 und Urteil vom 16.12.2010, Az. 4 C 8/10).

BVerwG Urteil vom 01.07.2010 Az. 4 C 4.08

In Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung

Das Inkrafttreten eines in Aufstellung befindlichen Ziels ist auch dann hinreichend sicher zu erwarten, wenn der Plan erst in einem ergänzenden Verfahren nach Nachholung der Ausfertigung mit Wirkung für die Zukunft in Kraft gesetzt werden kann.

BVerwG Urteil vom 01.07.2010 Az. 4 C 4.08

Bauleitplanung:

Nur wenn ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept für die Windenergienutzung vorliegt, entfaltet der Flächennutzungsplan die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB.

Bayer. VGH, Urteil vom 02.06.2008, Az: 22 B 06.2092
§ 6 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1, Abs. 3, § 67 Abs. 4, Abs. 9 Satz 3 BImSchG;
§ 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 3 BauGB;
§ 91 VwGO


Öffentliches Baurecht – Vorhandene Windenergieanlagen sind abwägungsrelevant

BauGB § 1 Abs. 4, §§ 35, 39; GG Art. 28 Abs. 2

1. Der Nutzung der Windenergie wird dann in substantieller Weise Raum verschafft, wenn die ausgewiesenen Konzentrationsflächen nach ihrer Zahl und Größe einen beachtlichen Teil der potentiell für die Windkraftnutzung in Betracht kommenden Fläche ausmachen und mit hinreichender Sicherheit zur Errichtung von Windkraftanlagen führen, die nach ihrer Anzahl und Energiemenge auch mit Blick auf den Bundesdurchschnitt geeignet sind, einen gewichtigen und den allgemein anerkannten energiepolitischen Zielsetzungen nicht offensichtlich widersprechenden Beitrag zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien an der Gesamtenergieerzeugung zu leisten.

2. Werden Grundstücke mit vorhandenen Windenergieanlagen beim Zuschnitt der Konzentrationsflächen nicht berücksichtigt, sind die Betreiber auf den Bestandsschutz für ihre Anlagen beschränkt. Der Planungsträger hat daher das Interesse der Betreiber, ältere Anlagen durch effizientere neue Anlagen zu ersetzen und diese dabei gegebenenfalls auch neu anzuordnen (Repowering), in der Abwägung zu berücksichtigen.

BVerwG, Beschluss vom 29.03.2010 – 4 BN 65.09
Vorhergehend:
OVG Sachsen-Anhalt, 30.07.2009 – 2 K 93 /08

Amtlicher Leitsatz:
Einzelfall einer trotz Reduzierung der Potentialflächen für die Windenergie auf eine einzige kleinere Teilfläche (43,7 ha) wirksame Darstellung einer Konzentrationszone für die Windenergie im Flächennutzungsplan nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Beschränkt sich die Gemeinde bei der Prüfung, ob sie ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB erteilt, darauf, einen oder einzelne dem Vorhaben aus ihrer Sicht entgegenstehende Belange herauszugreifen und die weitergehende bzw. umfassende Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit, kann sie später andere Gründe für die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit grundsätzlich nicht mehr mit Erfolg anführen. Der planreife Entwurf eines Flächennutzungsplans mit Darstellungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB entgegenstehenden öffentlichen Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 1 BauGB dar.

BauGB §§ 2, 3, 4 ,§ 6 Abs. 5 S. 1, § 35 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 35 Abs. 3 S. 3, § 36,
§ 14a UVPG
VGH Hessen , Urteil vom 17.06.2009 – 6 A 630/08 -


Windenergieanlagen, Flächennutzungsplan, Ausschlusswirkung, Konzentrationsfläche:

BVerwG – Urteil vom 24.01.08, Az: BVerwG 4 CN 2.07

Eine Gemeinde darf Darstellungen in einem Flächennutzungsplan, die die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auslösen sollen, nicht als Mittel benutzen, um unter dem Deckmantel der planerischen Steuerung von Windenergieanlagen diese in Wahrheit zu verhindern (Einzelfall, Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

Die Gemeinde muss ihre zunächst gewählten Kriterien (z. B. Pufferzonen) für die Festlegung der Konzentrationsflächen nochmals prüfen und gegebenenfalls ändern, wenn sich heraustellt, dass damit der Windenergie nicht substanziell Raum geschaffen wird. Will sie an den Kriterien festhalten, muss sie auf eine planerische Steuerung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verzichten.

BauGB § 1 Abs. 3, § 1 Abs. 7, § 35 Abs. 3 Satz 3,
§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 214 Abs. 3 Satz 2


Ausschlusswirkung und "weiße Flächen"

Weist der Raumordnungsplan Vorranggebiete aus, die der Nutzung der Windenergie im Plangebiet substanziell Raum schaffen, stehen Flächen, auf denen die Träger der Flächennutzungsplanung weitere Standorte für Windenenrgieanlagen ausweisen dürfen (sog. weiße Flächen), der Ausschlusswirkung der §§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nicht entgegen. Die Ausschlusswirkung erstreckt sich allerdings nur auf die Gebiete, die der Plan als Ausschlusszone festschreibt. Die "weißen" Flächen erfasst sie nicht, weil es in bezug auf diese Flächen an einer abschließenden raumordnerischen Entscheidung fehlt. BVerwG, B. v. 28.11.2005 - BVerwG 4 B 66.05, §§ 35 Abs. 1 Nr. 5, 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

Amtlicher Leitsatz:
Die Beschränkung der Anzahl der in einem Sondergebiet insgesamt zu errichtenden Windenergieanlagen ist auch als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung rechtlich nicht zulässig, da sie dem der Baunutzungsverordnung zugrundeliegenden System der vorhabenbezogenen Typisierung widerspricht.

BauGB § 1, Abs. 3, § 1 Abs. 4, § 1 Abs. 6 Nr. 7, § 1a Abs. 3, § 9, § 35 Abs. 1 Nr. 5, § 35 Abs. 3, S. 3,
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2, BauNVO § 11 Abs. 2 S. 1, § 16 Abs. 2, ROG § 7 Abs. 6, BNatSchG § 44 Abs. 1
OVG Rheinland-Pfalz , Urteil vom 21.01.2011 – 8 C 10850/10.OVG -


Höhenbegrenzungen für Windenergieanlagen im Regionalplan unzulässig

GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 31; BauGB § 1 Abs. 4, § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 3 S. 2, S. 3; BImSchG § 9 Abs. 1; ROG § 8 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 Nr. 1, BauNVO § 16; NROG § 3 Abs. 2

Im ROG findet sich keine Rechtsgrundlage, auf deren Grundlage über § 35 Abs. 3, Satz 2, 3 BauGB außenwirksame Höhenbegrenzungen für Windenergieanlagen in Vorrangstandorten vorgenommen werden dürfen.
(amtlicher Leitsatz)
VG Stade, U. v. 14.09.2011 – 2 A 866/10 – (nicht rechtskräftig)


Bauplanungsrecht – Verunstaltung der Landschaft, kompensationsfähige Sichtbeeinträchtigung; verfristeter Widerspruch:

Die Widerspruchsbehörde darf einen verfristeten Widerspruch des Bauherrn gegen einen seinen Bauantrag versagenden Bescheid auch dann in der Sache bescheiden, wenn die Gemeinde ihr Einvernehmen zum Bauvorhaben versagt hat.

Die Darstellung einer Konzentrationszone für Windenergieanlagen im Flächennutzungsplan ist unwirksam, wenn der Flächennutzungsplan die Zulässigkeit der Windenergieanlagen an die Voraussetzung knüpft, sie dürften nur mit einer Leistung von bis zu einem Megawatt und nur mit „pitch-Steuerung“ betrieben werden.

Verunstaltet eine Windenergieanlage aus einigen, nicht unerheblichen Sichtbereichen die Landschaft, kommt es nicht darauf an, ob aus anderen Sichtbereichen noch keine Verunstaltung eintritt, sondern eine (nur) kompensationsfähige Sichtbeeinträchtigung besteht.

VwGO §§ 68, 69, 70; BauGB §§ 5 Abs. 2, 9 Abs. 1, 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.12.06 – 7 A 568/06 – (rechtskräftig).
(VG Minden)


Bauplanungsrecht – Abstände zwischen Windenergieanlagen:

Die Gemeinde kann in einem Bebauungsplan für die Standorte der Windenergieanlagen untereinander den fünf- bzw. dreifachen Rotordurchmesser in Haupt- bzw. Nebenwindrichtung als Mindestabstand festsetzen und die nähere Prüfung dem einzelnen Genehmigungsverfahren überlassen.

BauGB § 1 Abs. 6.
Niedersächsisches OVG, Urteil vom 03.05.06 - 1 KN 58/05 -


Bauplanungsrecht – Gemeindeklage gegen Außenbereichsvorhaben:

BauGB §§ 35 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 36 Abs. 1 Satz 1; BayBO Art. 74 Abs. 1, Art. 75.
Bayerischer VGH, Urteil vom 10.12.07 – 1 BV 04.843 -


Eine Gemeinde wird durch einen positiven Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit in ihren Rechten verletzt, wenn sich wegen Bestimmtheitsmängeln der Bauvorlagen nicht beurteilen lässt, ob das Vorhaben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften entspricht.

Leitsatz:
1. Im Rahmen der Normenkontrolle eines Bauleitplans scheidet die Überprüfung einer bestandskräftigen Zielabweichungsentscheidung angesichts der von dieser Entscheidung ausgehenden Bindungswirkung aus; über die Tatbestandswirkung einer solchen bestandskräftigen Zielabweichungsentscheidung kann sich das Normenkontrollgericht nicht hinwegsetzen.

2. Das mit einer an § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ausgerichteten Flächennutzungsplanung verfolgte Ziel wird erst verfehlt, wenn die Fläche, die für die vorgesehene Nutzung zur Verfügung stehen soll, für diesen Zweck schlechthin ungeeignet ist.

3. Ob sich mit dem Betrieb einer Windkraftanlage auch eine Eigenkapitalrendite bestimmter Höhe erzielen lässt, ist für die Frage der Erforderlichkeit der Planung (§ 1 Abs. 3 BauGB) ohne Belang.
Dies spielt allenfalls im konkreten Einzelfall im Rahmen der Abwägung bei § 1 Abs. 7 BauGB, nämlich bei der Gewichtung der abwägungserheblichen Belange, eine Rolle. Zweifel an der Wirtschaftlichkeit dessen, was als Nutzung in einem Bauleitplan ermöglicht wird, lassen indes nur dann auf ein fehlerhaftes Abwägungsergebnis schließen, wenn den Betroffenen die zugelassene Nutzung mit Blick auf deren Unwirtschaftlichkeit schlechterdings nicht zugemutet werden kann.

4. Die Bestimmung des § 215 Abs. 1 BauGB gilt ausnahmslos für jede Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen, unabhängig von dem jeweiligen Verfahrensgang im Einzelfall.
Jedes Flächennutzungsplanverfahren und Bebauungsplanverfahren, das mit der Bekanntmachung abgeschlossen wird, unterliegt dem Anwendungsbereich der Planerhaltungsvorschriften.

Leitsatz:
Zur planungsrechtlichen Zulässigkeit einer raumbedeutsamen Windkraftanlage im Außenbereich sowie zur Nichtigkeit eines Regionalplanes wegen abwägungsfehlerhafter Auswahl von Potenzialstandorten für die Windenergienutzung.

Orientierungssatz:
1. Eine ausreichende Erschließung soll lediglich ein Mindestmaß an Zugänglichkeit des Baugrundstücks für Kraftfahrzeuge im Rahmen der zweckentsprechenden Nutzung der baulichen Anlage gewährleisten. Auf die Frage der Erreichbarkeit des Baugrundstücks während der Bauphase kommt es dabei nicht an.

2. Ein Ausschluss bestimmter Vorhaben aus Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Regelung des § 35 Abs 3 S 3 BauGB zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen, soweit die Planung auch sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle (also auf den ausgewiesenen Vorrangflächen) gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen.

3. Bei der Anwendung eines planerischen Ausschlusskriteriums ist zu berücksichtigen, dass bereits die schutzgutbezogenen Ausschlusskriterien und das planerische Ausschlusskriterium der Mindestwindhöffigkeit im Einzelfall zu einer erheblichen zahlenmäßigen Reduzierung der für die Errichtung von Windkraftanlagen in Betracht kommenden Außenbereichsflächen und damit bereits zu der ausreichenden Konzentration führen können.

4. Die Einbeziehung bauordnungsrechtlicher Abstandsflächen in die Mindestflächenberechnung ist nur dann plausibel, wenn die Ausweisung von Vorrangflächen im Plangebiet auch tatsächlich parzellenscharf, d.h. entlang von bestehenden Grundstücksgrenzen erfolgen würde. Denn nur wenn die Grenzen des Vorranggebietes mit den Grundstücksgrenzen der darin liegenden potenziellen Baugrundstücke identisch wären, müssten die im Vorranggebiet geplanten Windkraftanlagen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen auch gegenüber den Grenzen des Vorranggebietes einhalten und wären diese Abstände folglich bei der Berechnung des Vorrangflächenbedarfs zu berücksichtigen.

5. Die Anknüpfung des Einkreisungskriteriums an die Zahl der Standortbereiche ist nicht plausibel, da die visuellen Überlastungserscheinungen, wie beispielsweise eine erdrückende Wirkung durch Windkraftanlagen - im Einwirkungsbereich von Siedlungen, nicht durch die Zahl der Vorrangsfläche, sondern ausschließlich durch eine auf diesen Vorrangflächen realisierbare (hohe) Zahl von Windkraftanlagen hervorgerufen werden kann.

BauGB § 1, Abs. 4, § 5 Abs. 2 Nr. 1, § 35 Abs. 3 S. 3, BNatSchG § 44 Abs. 1
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.07.2012 – 10 D 47/10.NE -


Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 29.04.2010 – 13 K 898/08 -

Orientierungssätze:
1.Stützt sich der Antragsteller im Normenkontrollverfahren auf einen Abwägungsfehler, so reicht es für seine Antragsbefugnis aus, wenn er Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen. Die rein verbale Behauptung einer Rechtsverletzung offensichtlich ausscheidet.

2.Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Offensichtlichkeitsmaßstab verfehlt, weil er die Einwände des Antragstellers unter Einbeziehung des gesamten Prozessstoffs einer abschließenden materiell-rechtlichen Prüfung unterzogen hat, die sich in Umfang und Intensität von einer Begründetheitsprüfung nicht unterscheidet. Bei einer solchen Prüfungspraxis ist es nahezu ausgeschlossen, dass die Antragsbefugnis im Hinblick auf einen geltend gemachten Abwägungsmangel, der sich im Rahmen der Begründetheitsprüfung als nicht durchgreifend erweist, bejaht werden kann. Dies widerspricht der Funktion des Normenkontrollverfahrens und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Beschluss BVerwG vom 08.06.2011; BVerwG 4 BN 42.10; VGH 1 N 07.3403

Bauplanungsrecht – Konzentrationszone für WEA abweichend vom Eignungsbereich:

BauGB §§ 1 Abs. 4, 35 Abs. 3; BImSchG § 9.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.07 – 8 A 47744/06 – (rechtskräftig).


1. Ein Regionalplan mit 119 Eignungsbereichen für die Windkraftnutzung muss seine steuernde Wirkung nicht dadurch verlieren, dass einzelne Eignungsbereiche auf der nachgeordneten Planungsebene entfallen. Dies gilt auch dann, wenn davon der auf dem Gebiet einer Gemeinde einzige Eignungsbereich betroffen ist.

2. Die Darstellung einer Konzentrationszone im Flächennutzungsplan außerhalb eines im Regionalplan dargestellten Eignungsbereichs ist – ohne Zielabweichungsverfahren – wegen Verstoßes gegen das Anpassungsgebot gem. § 1 Abs. 4 BauGB unwirksam.

Amtlicher Leitsatz:
Eine Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe ab 100 m ist im (norddeutschen) Flachland als raumbedeutsam einzuordnen. Ob eine raumbedeutsame Windenergieanlage abweichend vom Regelfall des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB andernorts als auf der für sie raumordnerisch ausgewiesenen Vorrangfläche errichtet werden darf, ist unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten am geplanten Standort einzelfallbezogen zu überprüfen.

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 6, § 35 Abs. 3 S. 3, ROG § 3 Nr. 2, § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
OVG Lüneburg 9. Senat , Urteil vom 28.03.2009 – 9 LC 226/03 -


Kein Schadensersatz – Versagung eines Bauvorbescheids, rechtmäßiges Alternativverhalten:

a) Steht ein Bauvorbescheidsantrag, betreffend eine Windkraftanlagen im Außenbereich, in Widerspruch zu einem nachträglich beschlossenen Flächennutzungsplan, so hat die Bauaufsichtsbehörde, wenn sie einen formellen Mangel des Plans (hier: fehlerhafte Bekanntmachung) feststellt, der Gemeinde vor der Entscheidung Gelegenheit zu geben, diesen zu beheben (Fortführung des Senatsurteils vom 25.03.04 – III ZR 227/02 -, NVwZ 2004, 1143).

b) Lässt sich die Feststellung treffen, dass bei pflichtgemäßem Handeln der Bauaufsichtsbehörde der Mangel rückwirkend geheilt worden wäre, so kann dies einem auf die rechtswidrige Versagung des Bauvorbescheids gestützten Amtshaftungsanspruch unter dem Gesichtspunkte des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegengehalten werden.

c) Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch auf Erteilung des Bauvorbescheids durch rechtskräftiges verwaltungsgerichtliches Verpflichtungsurteil tituliert ist, dieses Urteil aber wegen der zwischenzeitlichen Rechtsänderung erfolgreich mit der Vollstreckungsabwehrklage angegriffen werden kann (im Anschluss an BVerwGE 117, 44 = NVwZ 2003, 214). Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.03.08 – III ZR 49/07 -.

BGB § 839; BauGB a.F. § 215 a

Bauplanungsrecht – Veränderungssperre, beabsichtigte

Höhenbegrenzung für WEA:

Jedenfalls dann, wenn der Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans und der Beschluss über die Veränderungssperre in derselben Ratssitzung gefasst worden sind, muss der Aufstellungsbeschluss nicht vor, sondern kann auch zusammen mit der Veränderungssperre bekannt gemacht werden.

Das für eine Veränderungssperre erforderliche Sicherungsbedürfnis kann entfallen, wenn die mit ihr gesicherte Bebauungsplanung offensichtlich zu einem unwirksamen Bebauungsplan führen wird. Dies muss nicht schon dann der Fall sein, wenn der Rat einer Gemeinde mit dem Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans (mit dem Sondergebiete für Windenergieanlagen festgesetzt werden sollen) zugleich beschließt, die Höhe der Windenergieanlagen werde auf 100 m begrenzt.

BauGB §§ 1 Abs. 3, 14 Abs. 1.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.10.06 – 7 D 68/06.NE – (rechtskräftig).


Zweite Verlängerung einer Veränderungssperre

BauGB § 1 Abs. 3, § 1 a Abs. 4, § 17 Abs. 2; BNatSchG § 34 Abs. 2 und 8

Einer Gemeinde ist es bereits als die besonderen Umstände i. S. des § 17 Abs. 2 BauGB ausschließendes Fehlverhalten anzurechnen, wenn sie das Verfahren in einem frühen Stadium ohne Not so zögerlich betrieben hat, dass sie auf neue Erkenntnisse im Rahmen der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 BauGB nicht mehr bis zum Ende einer ersten Veränderungssperre reagieren kann.

Es fällt regelmäßig in die Verantwortungssphäre einer planenden Gemeinde, sich selbst über die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Planung umfassend und früh zu informieren und etwaige eigene Wissenslücken aktiv durch Einholung von Rechtsrat zu schließen.

OVG Niedersachsen , Beschluss vom 10. Januar 2014 – 1 MN 190/13 -.

Eilentscheidung / Tektur:

Bay. VGH, Beschluss vom 02.08.07, 1 CS 07.801 Ein Bauherr, der sein Vorhaben im Hinblick auf einen im gerichtlichen Eilverfahren festgestellten Nachbarrechtsverstoß in einer „die Identität des Vorhabens“ wahrenden Weise geändert und für die Änderung eine vom Nachbarn wiederum angefochtene Tekturgenehmigung erhalten hat, muss gem. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Änderung der Eilentscheidung beantragen, wenn er von der Genehmigung in der Fassung des Tekturbescheids Gebrauch machen will (wie BayVGH [25. Senat] – vom 14.09.06 – 25 CS 06.1474 – Juris, vom 21.02.07 [15. Senat] – 15 CS 07.162 – Juris; anderer Ansicht BayVGH [26. Senat] vom 22.04.98 – 26 CS 98.338 – Juris). Ziel des Änderungsantrags ist die Feststellung, dass die Genehmigung in der Fassung des Tekturbescheids vollziehbar ist.

§ 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 7, § 130 Abs. 1 und 2 VwGO
§ 34 Abs. 2 BauGB
§ 5 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO


Bauplanungsrecht – Windenergieanlagen in Tiefflugübungsstrecke:

Die Durchführung von Tiefflügen, die dem Verteidigungsauftrag der Bundeswehr dienen, kann einen öffentlichen Belang darstellen, der einem privilegierten Außenbereichsvorhaben je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls i. S. v. § 35 Abs. 1 BauGB entgegensteht.

BauGB § 35 Abs. 1. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.09.06 - 4 B 58.06 -.

Raumordnungsrecht – Abweichen von Zielen der Raumordnung:

Die Entscheidung der zuständigen Landesplanungsbehörde über den Antrag einer Gemeinde auf Zulassung einer Abweichung von Zielen der Raumordnung zur Durchführung eines Vorhabens auf dem Gemeindegebiet stellt einen mit der Verpflichtungsklage zu erstreitenden Verwaltungsakt dar.

Das Erfordernis geänderter Tatsachen oder Erkenntnisse als Voraussetzung einer Zielabweichung gem. § 10 Abs. 6 Satz 1 LPIG steht mit der rahmenrechtlichen Regelung des § 11 Satz 1 ROG in Einklang.

Zur Abweichung von einem im regionalen Raumordnungsplan mit Zielcharakter festgesetzten Ausschlussgebiet für die Windenergie bei nachträglicher Befreiung von Verboten einer Naturparkverordnung.

LPIG §§ 10 Abs. 6, 8 Abs. 3; ROG §§ 11 Satz 1, 6; BauGB §§ 1 Abs. 4, 6.
OVG Rheinland Pfalz, Urteil vom 05.09.06 – 8 A 10343/06 – (rechtskräftig).
BVerwG, Urteil vom 26.04.07, 4 CN 3.06


Darstellungen im Flächennutzungsplan mit dem Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (hier: Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen) unterliegen in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der (prinzipalen) Normenkontrolle.

Normenkontrollverfahren

Gegenstand einer statthaften Normenkontrolle

BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 4 CN 1.12 -. (OVG Berlin-Brandenburg) Möglicher Gegenstand einer statthaften Normenkontrolle gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog ist allein die in den Darstellungen des Flächennutzungsplans die in den Darstellungen des Flächennutzungsplans zum Ausdruck kommende planerische Entscheidung der Gemeinde, mit der Ausweisung von Flächen für privilegierte Nutzungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an Standorten außerhalb der ausgewiesenen Flächen eintreten zu lassen.

Die Darstellung von Konzentrationsflächen ist für sich genommen kein möglicher Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog, unterliegt aber als Vorfrage der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3BauGB der inzidenten gerichtlichen Überprüfung.

Eine Ausweitung des Analogieschlusses zu § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf Darstellungen zur Höhenbegrenzung für Windenergieanlagen in der Konzentrationszone kommt nicht in Betracht.

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3; VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1

OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Mai 2013 – 1 C 11003/12 -.

1. Die Antragsbefugnis einer Gemeinde in einem Normenkontrollverfahren gegen einen Flächennutzungsplan liegt jedenfalls dann vor, wenn sie sich auf ihr einfachrechtliches Eigentum an Grundstücken berufen kann, die von der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erfasst werden.

2. Ein Abstand von 800 m um Siedlungsflächen zur Vermeidung von unzumutbaren Immissionen kann i. d. R. nicht als hartes Tabukriterium gewertet werden.

3. Ein FFH-Gebiet kann i. d. R. nicht als hartes Tabukriterium gewertet werden.

4. Der Plangeber verhält sich widersprüchlich, wenn er einerseits nach weichen Tabukriterien einen Bereich bestimmt, in dem von vornherein die Errichtung von Windenergieanlagen ausgeschlossen sein soll, zugleich aber für einzelne Gemeinden diesen Bereich verkleinert.

BauGB § 1 Abs. 7, § 35 Abs. 3 Satz 3; VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1

Vorrangflächen für Windenergie im Regionalen Raumordnungsprogramm

Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28. August 2013 – 12 KN 22/10 -

1. Wird eine Konzentrationsplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB durch eine nachfolgende Konzentrationsplanung außer Kraft gesetzt, besteht das Rechtsschutzbedürfnis für ein Normenkontrollverfahren gegen die vorausgehende Konzentrationsplanung fort, wenn die Möglichkeit besteht, dass die vorausgehende Konzentrationsplanung wieder auflebt.

2. Zu den Anforderungen, die an die Differenzierung zwischen harten und weichen Tabuzonen im Planungsprozess und die diesbezügliche Dokumentation zu stellen sind (insoweit wie – 12 KN 146/12 - ).

BauGB § 35; Abs. 3, Satz 3; NROG § 5, § 10; ROG § 12, § 28; VwGO § 47.--

Nachbarklage gegen kombiniertes Vorrang- und Eignungsgebiet für Windkraftanlagen im Regionalen Raumordnungsprogramm

FFH RL § 6 Abs. 3; ROG § 10 Abs. 1 und § 12; VwGO § 47 Abs. 2

1. Ein Nachbar, der einen Sachverhalt darlegt, der es als möglich erscheinen lässt, dass zu seinen Lasten das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist bzw. eine nachteilige Betroffenheit oberhalb der Zumutbarkeitsschwelle vorliegt, ist befugt, sich mittels eines Normenkontrollantrags gegen die Festsetzung eines kombinierten Vorrang- und Eignungsgebiets in einem Regionalen Raumordnungsprogramm zu wenden (im Anschl. an Urteil d. Sen. V. 26.03.2009 – 12 KN 11/07 - ).

2. Für die gemäß § 7 Abs. 6 ROG und Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie erforderliche Prüfung der FFH-Verträglichkeit reicht es nicht aus, bei der Aufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms mit Blick auf die Beeinträchtigung von Natura Gebieten problematische Gebiete zu benennen und die weitere Prüfung nachfolgender Planung oder dem Genehmigungsverfahren vorzubehalten.

3. Auch die Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen FFH-Gebieten können dem Schutzregime des Gebietsschutzes unterfallen (wie BVerwG, Urteil v. 14.04.2010 – 9 A 5.08 -).

4. Die Behebung eines Abwägungsmangels in Gestalt der fehlenden Unterteilung in harte und weiche Tabukriterien durch ein ergänzendes Verfahren gem. § 12 Abs. 6 ROG erfordert grundsätzlich eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 10 ROG.

5. Die gerichtliche Unwirksamkeitserklärung des vom Plangeber gewollten Ziels Vorranggebiet führt für die betreffende Fläche raumordnungsrechtlich zum Entstehen eines sogenannten weißen Bereichs.

Niedersächsisches OVG, Urteil vom 17. Oktober 2013 – 12 KN 277/11 - .

Denkmalschutz

Nachbarschutz des Denkmaleigentümers

BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 2013 – 4 B 6.13 – (Niedersächsisches OVG)

§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB gewährleistet nur ein Mindestmaß an bundesrechtlich eigenständigem, von landesrechtlicher Regelung unabhängigem Denkmalschutz; sie hat im Verhältnis zu den denkmalrechtlichen Vorschriften, die nach § 29 Abs. 2 BauGB unberührt bleiben, eine Auffangfunktion. Ob der denkmalrechtliche Drittschutz zugunsten des Eigentümers eines Kulturdenkmals auf das grundrechtlich gebotene Mindestmaß beschränkt ist oder darüber hinausgeht, ist hingegen eine Frage des irrevisiblen Landesrechts.

GG Art. 14 Abs. 1; BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5; NDSchG § 8 Satz 1

Beeinträchtigung von Baudenkmälern durch Windkraftanlage

Bayerischer VGH , Urteil vom 18. Juli 2013 – 22 B 12.1741 - . (VG Ansbach) 1. Zur denkmalgeschützten künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals kann seine Innen-Außen-Blickbeziehung gehören.

2. Das überlieferte Erscheinungsbild von Baudenkmälern kann denkmalpflegerisch besonders schützenswert sein, wenn diese architektonisch in einer gewollten und gewachsenen Blickbeziehung zueinander stehen, auf diese Weise historische soziale Beziehungen ihrer Erbauer untereinander sichtbar machen und das Ortsbild maßgeblich prägen.

3. Der Errichtung einer auf einer Anhöhe über derartigen Baudenkmälern positionierten Windkraftanlage können Belange des Denkmalschutzes entgegenstehen.

4. Der Einschätzung des Landesamts für Denkmalpflege bezüglich des Denkmalwerts eines Baudenkmals und seiner Beeinträchtigung durch eine geplante Windkraftanlage kommt für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörden und Gerichte keine rechtliche Bindungswirkung zu; sie ist aber von tatsächlichem Gewicht. Bei der nachvollziehenden Überprüfung dieser Einschätzung durch das Verwaltungsgericht muss die Privilegierung der Windkraftanlage durch § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB eigens berücksichtigt werden.

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1 Nr. 5

GKG § 13, VwGO § 132, ZPO § 708 Nr. 11, § 711

Windkraftanlagen und Denkmalschutz; Umgebungsbereich einer Kulturlandschaft

Orientierungssatz:
Der Regelungsgehalt der §§ 15 Abs. 3 Satz 1, 2 Abs. 3 Nr. 1 DSchG schützt auch und gerade die Wirkung des Kulturdenkmals in seiner Umgebung und die optischen Bezüge zwischen Kulturdenkmal und Umgebung, nicht dagegen die Umgebung selbst. Sie besitzt keinen eigenständigen Denkmalwert und ist Gegenstand des Denkmalschutzes nur insoweit, als sie für das Erscheinungsbild eines Kulturdenkmals von erheblicher Bedeutung ist. Die Genehmigungspflicht als solche setzt deshalb auch nicht voraus, dass die Errichtung, Veränderung oder Beseitigung einer baulichen Anlage das Erscheinungsbild eines Kulturdenkmals beeinträchtigt; selbst Maßnahmen, die das Erscheinungsbild eines eingetragenen Kulturdenkmals verbessern, können einer präventiven Kontrolle unterzogen sein. Entscheidend ist allein, ob die Umgebung für das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals von so erheblicher Bedeutung ist, dass durch Veränderungen denkmalpflegerische Belange berührt werden. Das ist dann anzunehmen, wenn die Ausstrahlungskraft des Kulturdenkmals wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängt, wenn beispielsweise die Umgebung die Wirkung des Kulturdenkmals wegen des architektonischen Konzepts oder der topografischen Situation prägt. Maßgebend ist die denkmalpflegerische Bedeutung der Umgebung in Bezug auf den wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Grund (§ 2 Abs. 1 DSchG), dessentwegen ein besonders gesteigertes Erhaltungsinteresse besteht; der Schutzzweck des Regelungssystems zielt ausschließlich auf die Erhaltung des Denkmalwerts ab, nicht auf städtebauliche oder ästhetische Belange. Die denkmalschutzrechtliche Genehmigungspflicht stellt lediglich ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar, das der Überprüfung und Wahrung der denkmalpflegerischen Belange dient. (Rn.43)

Als Umgebung eines Kulturdenkmals ist der Bereich zu sehen, auf den es ausstrahlt und der es in denkmalrechtlicher Hinsicht seinerseits prägt und beeinflusst. Die – gerichtlich voll überprüfbare – Abgrenzung ist nach dem Empfinden eines für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters vorzunehmen. (Rn. 44)

In objektiver Hinsicht setzt eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes eines Denkmals i. S. v. § 15 Abs. 3 S. 3 DSchG voraus, dass eine empfindliche Störung vorliegt. Die damit allgemein gekennzeichneten Anforderungen bleiben einerseits unterhalb der Schranke dessen, was üblicherweise „hässlich“ wirkt und deshalb im bauordnungsrechtlichen Sinne „verunstaltend“ ist. Andererseits genügt für eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes i. S. des § 15 Abs. 3 DSchG nicht jede nachteilige Beeinflussung des Erscheinungsbildes; vielmehr muss der Gegensatz deutlich wahrnehmbar sein und vom Betrachter als belastend empfunden werden. Rn.48)

DSchG BW § 15 Abs. 3 vom 18.12.2009, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB vom 18.12.2009
Verwaltungsgericht Sigmaringen 6. Kammer , Urteil vom 15.10.2009 – 6 K 3202/08 -


Denkmalschutz und Windkraftanlage

Anm. BayVGH Der Eigentümer eines Denkmals wird durch die Zulassung einer Windkraftanlage in der Nähe dieses Objekts nur dann in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 103 Abs. 1 BV verletzt, wenn diese Anlage die in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG genannten Rechtsgüter erheblich beeinträchtigt (im Anschluss an BayVGH, U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631).

Hinweis:
Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat mit dem Urteil vom 25.06.2013 eine weitere Grundsatzentscheidung im Spannungsfeld zwischen Windenergienutzung und Denkmalschutz getroffen (vgl. jüngst BayVGH, U. v. 18.07.2013, Az. 22 B 12.1741 – dort zur Anfechtungsklage einer Standortgemeinde). Insofern bestätigt der BayVGH in der nunmehr vollständig vorliegenden Entscheidung vom 25.06.2013 seine Linie in diesem Problembereich in folgenden Punkten:

Das Landesamt für Denkmalpflege (Landesamt) ist die zur fachlichen Einschätzung des Denkmalwerts eines Baudenkmals und seiner Beeinträchtigung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 DSchG berufene Fachbehörde. Hierbei kommt den fachli- chen Einschätzungen des Landesamts tatsächliches Gewicht zu; eine rechtliche Bin- dung für Immissionsschutzbehörden und Gerichte besteht jedoch nicht. Es ist Aufgabe des Gerichts, Stellungnahmen des Landesamts nachvollziehend zu überprüfen (hier: kritische Bewertung des Gerichts hinsichtlich einer von der Fachbehörde angenomme- nen landschaftsprägenden Funktion eines Schlosses).

Zur denkmalgeschützten künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals kann seine In- nen-Außen-Blickbeziehung gehören (hier nach konkreter Betrachtung aller Umstände i.E. verneint).

Vorliegend geht es schwerpunktmäßig um die Reichweite des nachbarlichen Dritt- schutzes (Anfechtungsklage des Eigentümers eines denkmalgeschützten Anwesens – hier eines Schlosses). Insofern sind hinsichtlich der neuen Entscheidung vom 25.06.2013 folgende Orientierungssätze hervorzuheben:

- 2 -

1. Im Falle einer Nachbaranfechtungsklage (hier: gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung) führt die Anordnung der Zwangsverwaltung über das Grundstück des benachbarten Klägers nicht automatisch zum Verlust der Prozessführungsbefugnis.

2. In Anlehnung an BVerwG, U. v. 21.4.2009, Az. 4 C 3.08, ist aufgrund der Ausstrah- lungswirkung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine Verletzung des Denkmaleigentümers in einem subjektiven Recht im Sinn von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendig dann zu bejahen, wenn die gerichtliche Sachprüfung ergeben hat, dass das Denkmal durch ein Vorhaben in dessen Umgebung tatsächlich erheblich beeinträchtigt wird.

3. Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG ergibt sich kein darüber hinausgehender landes- rechtlicher Drittschutz.

4. Soweit nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG keine Gründe für die Versa- gung einer in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung eingeschlossenen denk- malschutzrechtlichen Erlaubnis in drittschutzrelevantem Umfang vorliegen, kann auch
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB der Erteilung dieser Genehmigung nicht als drittschüt- zende Norm entgegenstehen.

Die vorliegende Entscheidung, bei der sich die denkmalbezogenen Belange – anders als im Fall BayVGH, U. v. 18.07.2013, Az. 22 B 12.1741– im Ergebnis nicht gegen- über der privilegierten Windenergieanlage durchsetzen konnten, bestätigt, dass auch unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes der Energiewende künftig keine grundsätzlich unüberwindbaren Hürden entgegenstehen werden. Beide Entschei- dungen (vom 25.06.2013 und vom 18.07.2013) machen in der Zusammenschau deutlich, dass es im Spannungsverhältnis von Windenergienutzung und Nachbar- schutz immer auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt.

BayVGH, Urteil v. 25.06.2013, 22 B 11.701

Nachbarschutz, Immissionen:

Klagebefugnis wegen UVP-Verfahrensfehlern, Nachholung einer UVP- Vorprüfung
BImSchG § 12 Abs. 1; UmwRG § 4 Abs. 1, Abs. 3; UVPG § 2 Abs. 6 Satz 2,
§ 3e Abs. 1 Nr. 2; VwGO § 42 Abs. 2; VwVfG § 45 Abs. 2.


Die Verfahrensvorschriften der UVP-Richtlinie sind bei unionsrechtskonformer Auslegung Schutznormen i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO.

Von diesem Befund geht § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG aus und stellt klar, dass jedenfalls die dort aufgeführten UVP-Verfahrensfehler auch für Individualkläger rügefähig sein sollen.

Die Möglichkeit derartiger UVP-Verfahrensfehler begründet nicht für jedermann eine selbstständige Klagebefugnis, sondern nur für denjenigen, der zur „betroffenen Öffentlichkeit“ gehört, weil er durch die Entscheidung in seinen Belangen berührt wird. Betroffenheit in diesem Sinne wird grundsätzlich durch einen räumlichen Bezug zum Wirkungsbereich der Immissionen bestimmt sein.

Die Nachholung einer UVP-Vorprüfung ist bei Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen im Berufungsverfahren nicht mehr möglich. Dies folgt aus § 45 Abs. 2 VwVfG NRW, der als „andere entsprechende Rechtsvorschrift“ i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 3 UmwRG unberührt bleibt.

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Februar 2015 – 8 A 959/10 -.

Windenergieanlage, Immissionswert und Kontrollwert

Immissionswerte sind untauglich, die Funktion von Kontrollwerten zu erfüllen.

BImSchG §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 Satz 1 BVerwG, Urteil vom 21.02.2013 – 7 C 22.11 – (OVG Berlin-Brandenburg)

Bindungswirkung der TA Lärm, Privilegierung immissionsträchtiger Vorhaben im Außenbereich

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4; TA Lärm.

1. Der TA Lärm kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, § 3 Abs. 1 BImSchG konkretisiert.

2. Die Privilegierung eines immissionsträchtigen Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB scheidet aus, wenn das Vorhaben auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden kann. (Leitsätze der Redaktion)

BVerwG, Beschluss vom 26. März 2014 – 4 B 3.14 –

Rücksichtnahmegebot, optisch bedrängende Wirkung einer Windkraftanlage

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5. Für die Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung einer Windkraftanlage ist nicht die Baumasse ihres Turms, sondern die in der Höhe wahrzunehmende Drehbewegung des Rotors von entscheidender Bedeutung. (Leitsatz der Redaktion)

Bayerischer VGH, Beschluss vom 16. Januar 2014 – 22 ZB 13.2608 -.

Abweichung von Abstandsvorschrift zugunsten einer Windkraftanlage

NBauO § 5; NBauO § 66; VwGO § 114.

Die erteilte Abweichung von den Regelungen der Grenzabstandsvorschrift des § 5 NBauO zugunsten eines Windkraftvorhabens ist ermessensfehlerhaft, wenn das Recht des Eigentümers des Nachbargrundstücks, dieses Grundstück selbst mit einem im Außenbereich privilegierten Vorhaben (ebenfalls der Windenergienutzung) zu bebauen oder bebauen zu lassen, nicht mit dem gebotenen Gewicht in die Ermessensentscheidung eingestellt wird.

Niedersächsisches OVG , Beschluss vom 10. Februar 2014 – 12 ME 227/13 - .

Abweichung von Grenzabstandsregelung bei Windkraftanlagen

Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 12 ME 221/13 -.

1. Auch nach der Reduzierung des Grenzabstands von 1 H auf 0,5 H durch die Neufassung der NBauO 2012 kommt eine Abweichung nach § 66 NBauO von den Grenzabstandsvorschriften bei Windkraftanlagen in Betracht.

2. Die mit der Grenzabstandsregelung des § 5 Abs. 2NBauO verfolgten bauordnungsrechtlichen Ziele sind von den Zielen anderer Abstandsregelungen, die sich etwa aus immissionsschutzrechtlichen, bauplanungsrechtlichen, naturschutzrechtlichen oder anlagetechnischen Gründen ergeben, zu unterscheiden.

NBauO § 5 Abs. 2 Satz 1, § 66

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.08.06 – 8 A 3726/05 – BImSchG § 67; BauGB § 35; BauO NRW § 6.

Optisch bedrängende Wirkung einer WEA:

1. Das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme umfasst auch Fallkonstellationen, in denen von einem Bauvorhaben eine optisch bedrängende Wirkung auf bewohnte Nachbargrundstücke im Außenbereich ausgeht.

2. Ob von einer Windkraftanlage eine optisch bedrängende Wirkung auf eine Wohnbebauung ausgeht, ist stets anhand aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Für diese Einzelfallprüfung lassen sich grobe Anhaltswerte prognostizieren:
a) Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zulasten der Wohnnutzung ausgeht.
b) Ist der Abstand geringer als das Zweifach der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen.
c) Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.

BImSchG § 67; BauGB § 35; BauO NRW § 6.

Eiswurf

Vom Betrieb einer Windkraftanlage gehen keine Gefahren durch Eisabwurf aus, wenn hinreichende technische Schutzvorkehrungen getroffen werden.

Dem wird Genüge getan, wenn wegen der hohen Empfindlichkeit der aerodynamischen Koeffizienten auf Eisbildung die Anlage abgeschaltet wird, bevor Eis in einer Dicke auf der Rotorenvorderseite abgelagert wird, die zur Gefährdung der Umgebung führen kann.

BayVGH Beschluss vom 09.02.2010 - 22 CS 09.3168

Nachbareinwendungen - förmliches Genehmigungsverfahren - Denkmal

In der prozessualen Konstellation der Nachbarklage führt das fehlerhafte Unterbleiben des förmlichen Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG allein nicht zur Aufhebung der statt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erteilten Baugenehmigung. Entsprechendes gilt auch, wenn für das angegriffene Vorhaben statt der vorgeschriebenen allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach dem UVPG eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls durchgeführt wurde.Derartige Mängel im Genehmigungsverfahren können nicht ohne Anknüpfung an materielle Rechtspositionen betrachtet werden.

Dem denkmalschutzrechtlichen Beeinträchtigungsverbot nach § 8 S. 1 NDSchG kann eine drittschützende Wirkung nicht von vornherein abgesprochen werden. Vielmehr erscheint es auch im niedersächsischen Landesrecht geboten, dem Eigentümer eines Kulturdenkmals mit Blick auf die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewissermaßen spiegelbildlich zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums durch Auferlegung denkmalschutzrechtlicher Belastungen ein Abwehrrercht gegen erhebliche Beeinträchtigungen eines Kulturdenkmals durch ein Bau- oder sonstiges Vorhaben in seiner Umgebung zuzubilligen.

NiedersächsOVG Urteil vom 01.06.2010 Az: 12 LB 31/07

BVerwG 4 C 2.07 – Urteil vom 29. August 2007

Aufhebung der Baugenehmigung wegen Lärmbelästigungen durch Windenergieanlage

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich in einem heute verkündeten Urteil mit mehreren Fragen zu Lärmbelästigungen durch Windenergieanlagen insbesondere in der Nachtzeit befasst. Dabei ging es um Fragen, die die Revisibilität sowie die Auslegung und Anwendung der auf der Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes ergangenen Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm - betreffen.

Die Kläger, die ein zu einer Hofanlage gehörendes Gebäude bewohnen, wenden sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage im Außenbereich in einem Abstand von ca. 340 m; die Anlage wird bereits seit einigen Jahren betrieben. Das Verwaltungsgericht Koblenz und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz haben die Baugenehmigung aufgehoben, da durch die genehmigte Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlage schädliche Umwelteinwirkungen auf das Wohnhaus der Kläger einwirkten und sie insbesondere unzumutbare Lärmbelästigungen zur Nachtzeit zu erwarten hätten. Die Revision der Beigeladenen gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Regelungen der TA Lärm auch in einem Baugenehmigungsverfahren für eine immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlage als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift auszulegen und anzuwenden sind und damit im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsnormen des Bundesrechts darstellen. In Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht ist das Bundesverwaltungsgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass der in Nr. 6.9 der TA Lärm vorgesehene "Messabschlag bei Überwachungsmessungen" von 3 dB(A) nicht angerechnet werden kann, wenn auf eine Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung die auf das betreffende Gebäude einwirkenden Lärmimmissionen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch eine Messung ermittelt worden sind. Denn dieses Verfahrensstadium ist noch dem Genehmigungsverfahren zuzurechnen und nicht als Teil der den Behörden aufgegebenen regelmäßigen Überwachung anzusehen. Auch die Einwendungen der Beigeladenen gegen die Einbeziehung eines vor dem Fenster einer Wohnküche liegenden Immissionspunkts blieben ohne Erfolg. Denn eine Küche, die nicht lediglich der Zubereitung der Mahlzeiten sondern auch dem sonstigen Aufenthalt der Bewohner dient, ist als schutzbedürftiger Raum im Sinne von Nr. A.1.3 TA Lärm (in Verbindung mit einer DIN-Norm) anzusehen. Erfolglos blieb die Revision auch hinsichtlich des Impulszuschlags, den ein Gutachter nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts zu Recht berücksichtigt hatte. Die Frage, ob ein derartiger Impulszuschlag nach Nr. A.3.3.6 TA Lärm anzurechnen ist, bestimmt sich danach, ob die kurzzeitige Pegelerhöhung wegen ihrer Auffälligkeit außergewöhnlich störend ist. Dies hat das Oberverwaltungsgericht in Würdigung des Einzelfalls fehlerfrei bejaht.

BVerwG 4 C 2.07 – Urteil vom 29. August 2007

VGH, Beschluss vom 16.07.07, Az: 1 CS 07.1340

§ 80 a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO; § 34 Abs. 1 BauGB; Art. 6, Art. 70 Abs. 1 BayBO


1. Bei Zulassung einer Abweichung von einer dem Nachbarschutz dienenden Vorschrift der Bauordnungsrechts wird der Nachbar nicht nur dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Abweichung wegen einer unzureichenden Würdigung seiner Interessen rechtswidrig ist, sondern durch jeden Verstoß gegen Art. 70 Abs. 1 BayBO.

2. Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist.

OVG Nordhrein-Westfalen, Beschluss vom 22.03.07 – 8 B 2283/06 – (a. L.):

BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1

Für die Beantwortung der Frage, ob von einer Windkraftanlage eine optisch bedrängende Wirkung auf eine Wohnbebauung ausgeht, darf nicht pauschal auf die groben Anhaltswerte zurückgegriffen werden, die in der Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.08.06 – 8 A 3726/05 – entwickelt worden sind. Die dort genannten Abstände stellen lediglich Orientierungswerte dar, die eine bestimmte Würdigung der Umstände des Einzelfalls nahe legen, aber die Einzelfallprüfung nicht entbehrlich machen. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.12.06 – 4 B 72.06:
(OVG Nordrhein-Westfalen)
Windenergieanlagen gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, weil von den Drehbewegungen ihrer Rotoren eine „optisch bedrängende“ Wirkung auf bewohnte Nachbargrundstücke im Außenbereich ausgeht. Ob eine derartige Wirkung anzunehmen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls (Bestätigung von OVG Münster, DVBI. 2006, 1532, BauR 2007, 74).

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1


Vogelschutz:

Naturschutzrechtliche Einschätzungsprärogative

GG Art. 19 Abs. 4; BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2; BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5; BNatSchG §§ 34, 44 Abs. 1 Nr. 1.

Bei ihrer Entscheidung über die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung steht der Genehmigungsbehörde für die Prüfung, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt sind, hinsichtlich der Bestandserfassung und Risikobewertung eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, soweit sich zu ökologischen Fragestellungen noch kein allgemein anerkannter Stand der Fachwissenschaft herausgebildet hat.

BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 C 40.11 -. (OVG Sachsen-Anhalt)

OVG Rheinland-Pfalz: Windenergieanlagen im Vogelzugkorridor nicht erlaubt:

Urteil vom 02.02.06, Az: 1 A 11312/04.OVG

Windenergieanlagen dürfen in einem Vogelflugkorridor nicht errichtet werden. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die Klägerin beabsichtigte die Errichtung von zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 98 m in der Nähe des Habichtskopfs im Landkreis Bad Kreuznach. Die Erteilung der beantragten Baugenehmigung lehnte die Bauaufsichtsbehörde ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte bereits das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte nun diese Entscheidung.

Da die Windenergieanlagen in einem Gebiet errichtet werden sollten, das im Frühjahr und Herbst übermäßig stark von Zugvögeln durchflogen werde, stünden ihnen Belange des Naturschutzes entgegen. Zwar könne nicht jeder einfache Vogelzug die Errichtung von Windenergieanlagen verhindern. Vielmehr sei dazu ein Vogelzuggeschehen überdurchschnittlichen Umfangs erforderlich. Ansonsten wären in Rheinland-Pfalz, das größtenteils breitflächig von Vogelzügen überquert werde, Windenergieanlagen fast überall unzulässig, was der gesetzlich angeordneten Privilegierung solcher Anlagen im Außenbereich widersprechen würde. Nach Einholung gutachterlicher Stellungnahmen sei der Bereich, in dem die Klägerin die beiden Windenergieanlagen errichten wolle, als bedeutender Vogelflugkorridor anzusehen. Deshalb seien Beeinträchtigungen einer Vielzahl von Vogelarten durch die Anlagen nicht ausgeschlossen, so dass die Erteilung einer Baugenehmigung ausscheide, so das Oberverwaltungsgericht.

Windenergie / Fledermausschutz:

Sächsisches OVG, Urteil vom 17.07.07 – 1 D 10/06 –

1. Im Rahmen einer Teilfortschreibung eines Regionalplans können bereits ausgewiesene Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für die Windenergienutzung aus Gründen des Fledermausschutzes verändert und reduziert werden.

2. Fehlt es für eine Gefährdungsannahme an einer abschließend gesicherten Tatschengrundlage, muss der Planungsgeber für die Zukunft weitere Untersuchungen veranlassen.

ROG § 7 Abs. 5; SächsLPIG §§ 4 Abs. 3, 6 Abs. 5; BauGB § 35 Abs. 3

Wertminderung:

Verwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 19.02.04, AZ: 4 A 3770/01:

(aus den Gründen) Etwaige Wertminderungen des Grundstücks des Klägers durch den Windpark sind nicht auszuschließen. Im Rahmen der gegenseitigen nachbarlichen Rücksichtnahme muss der im Außenbereich wohnende Kläger allerdings mit dort privilegierten Vorhaben und den möglichen wertmäßigen Auswirkungen auf sein Grundstück rechnen. Anlage die tatsächlichen Beeinträchtigungen nicht unzumutbar sind, sind die damit verbundenen Wertminderungen des Grundstücks hinzunehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.11.1997 – 4 B 195/97).

Kontakt

Rechtsanwalt Armin Brauns
Fuggerstraße 20 A

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Tel. 0 81 96/99 86-153
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